Historie des FUST-Tirol

Logo_FUST_3Vor 1970 gab es im Tiroler Achental und Bächental (nahe Achensee/Achenkirch) gravierende Umweltprobleme. Besonders betroffen war der Lebensraum von Wildtieren.

Es fehlte vor allem an Forschungsergebnissen, deren Daten über einen längeren Zeitraum von Jahren und Jahrzehnten Historie1b-Skiliftermittelt wurden – Grundlagen für aktuelle Entscheidungen mit Blick auf die Zukunft.

Die Zeit war reif, um drängende Fragen der Bewirtschaftung von Wald und Weide zu klären. Dank der privaten Initiative von Emil und Christiane Underberg entstand 1970 ein von ihnen finanziell gefördertes )Historie3-WaldweideWald-Wild-Forschungsprojekt, das sich zum Projekt "Alpine Umweltgestaltung" mit Sitz in Achenkirch entwickelte.

1974 wurde das Forschungsprojekt auf alpine Umweltfragen erweitert, u. a. Waldweidenutzung, Zählung und Erhaltung des Wildbestands, Waldschäden, Fischbestand und Wasserhaushalt, Landschaftsschutz, Raumplanung und Massentourismus.

Historie2-ProjektePlanungen und Entscheidungen im Sinne der Nachhaltigkeit werden seither in einem aus Wissenschaftlern und Fachleuten staatlicher Einrichtungen Primelzusammengesetzten "Fachlichen Lenkungsausschuss" – unterstützt durch einen "Wissenschaftlichen Beirat" – getroffen, die ihre Empfehlungen an den für Finanzierung zuständigen "Bewilligungsausschuss" weitergeben, in welchem die Förderer vertreten sind.

In zahlreichen wissenschaftlichen Projekten wie auch durch die Betreuung und Förderung von Examensarbeiten ermittelte der FUST Tirol wichtige Grundlagen für die Beseitigung der Umweltprobleme und den Erhalt der Alpinen Umwelt.

Enzian KopieLiteraturempfehlungen zu den ersten Jahrzehnten "FUST-Tirol in Achenkirch"

Paul Schwab (1977): Achenkirch – ein jagd- und forstwirtschaftlicher Modellversuch in Forschung und Praxis (Ergebnisse des Forschungsprojekts FUST-Tirol in Achenkirch Bd. A 62, S. 165–170; ISBN 3 503 01507 8).
Die weitere Entwicklung bis 2000 beschrieb Paul Schwab unter Mitwirkung von WM Ludwig Messner und Dr. Wolfgang E. Burhenne (2006): "Nachhaltige schonende Vielfachnutzung einer Alpenregion – Chronik Band I (1955 bis 2000). Umweltgerechte Landschaftsgestaltung Achensee / Karwendel / Rofan)" (Ergebnisse des Forschungsprojekts FUST-Tirol in Achenkirch Bd. A 159/I, 400 S.; ISBN 3 503 09017-7). • Band II (Entwicklung ab 2000) befindet sich in Arbeit.
Lois Kaltenböck, Ludwig Messner & W. E. Burhenne (2009): Die Arbeiten des Fonds für Umweltstudien (FUST-Tirol) 1970–2009. – kart. 72 S. mit zahlreichen Bildern; Selbstverlag d. E. Haub Stiftung f. Umweltrecht u. Umweltpolitik.


Statuten 

Die Bemühungen des FUST-Tirol entsprechen folgenden Prinzipien und Grundsätzen:

  • Es ist eine Fehleinschätzung, wenn der Schutz einerseits und die Nutzung andererseits im gesellschaftlichen Verständnis als Gegensätze angesehen werden. Jedes Lebewesen lebt von der Nutzung und Benutzung natürlicher Ressourcen. Der Mensche ist Teil der Natur. Alle Glieder der Lebensgemeinschaften – somit auch der Mensch – stehen in ständigen Nutzungsabhängigkeiten zueinander.
  • Die Generalversammlung der Internationalen Union für die Erhaltung der Natur und der natürlichen Hilfsquellen (IUCN – die größte internationale Umweltorganisation) stellte in Amman in einer IUCN_logoGrundsatzerklärung ihrer Mitglieder aus allen Teilen der Welt in prägnanter Weise klar: Die Nutzung wildlebender Ressourcen stellt – soweit sie nachhaltig erfolgt – ein wichtiges Instrument zur Erhaltung der Natur dar, auch da die durch eine solche Nutzung erzielten sozialen und wirtschaftlichen Vorteile dem Menschen Anreize geben, diese zu erhalten.
  • Die 6. Vertragsstaaten-Konferenz (Kuala Lumpur) des international rechtlich bindenden Übereinkommens über die Erhaltung der Biologischen Vielfalt (Biodiversitätskonvention, Convention on Biological Diversity = CBD), dem heute fast alle Staaten der Welt angehören, hat das ausdrücklich bestätigt. Sie erklärte die nachhaltige Nutzung der Natur als eine der Voraussetzungen für ihre Erhaltung. Es wurde weltweit festgelegt, dass die Erhaltung der natürlichen Vielfalt auch die nachhaltige Nutzung voraussetzt, also nicht durch Nutzungsverzicht gewährleistet ist. Dies trifft auch auf die Nutzung von Pflanzen und Wildtieren durch Wald- und Jagdwirtschaft zu. Sie setzt allerdings die Erhaltung der Lebensräume voraus, denn nur wenn diese intakt sind, können vitale Populationen bestehen.
  • Mitverantwortlich sind alle Interessengruppen, die in den alpinen Lebensräumen ihre Spuren hinterlassen.

Dass diese Grundsätze heute Gemeingut sind, ist nicht zuletzt auch Mitarbeitern und Förderern des FUST-Tirol zu verdanken, wobei insbesondere Dr. Wolfgang E. Burhenne für die Kontakte im internationalen Bereich, Prof. Dr. Friedrich Reimoser als langjähriger Projektleiter und der Familie Underberg für Unterstützung und Finanzierung gedankt sei.


Visionen

  • Vertiefung und Umsetzung der Kenntnisse über
    a) die Gegebenheiten im alpinen Raum
    b) die zu erwartenden Veränderungen (z. B. durch das Klima und verstärkte Landnutzung);
  • Entwicklung weiterer Strategien zur nachhaltigen Nutzung, Entwicklung und Erhaltung der alpinen Umwelt, unter besonderer Berücksichtigung der Ziele des Internationalen Übereinkommens über die biologische Vielfalt;
  • Verstärkung der Bemühungen, als ein Bindeglied zwischen Wissenschaft, Praxis, Politik, Rechtsprechung und Verwaltung tätig zu sein, insbesondere durch Vermittlung
    a) von praxisnahen Erkenntnissen in verständlicher Form und
    b) der Zusammenhänge zwischen Naturraum und unterschiedlichen Naturnutzern, damit die Allgemeinheit die nachhaltige Nutzung als eine Voraussetzung für die Erhaltung der Natur erkennt und beachtet;
  • Verstärkte Öffentlichkeitsarbeit, u. a. durch weitere Positionspapiere.

Präsentation (Microsoft PowerPoint)  (→ z. Z. noch nicht verfügbar)


FUST-Tirol    Positionen

Weide und Wald im Alpenraum
Weidewirtschaft - Nutzen oder Schaden?


Ausgangslage

positionen_02_1Historisch gewachsene Weiderechte sind für den Alpenraum typisch. Almwirtschaft mit Rindern, Schafen, Ziegen und Pferden hat allerdings vielerorts zu Konflikten zwischen Weideberechtigten, Grundbesitzern, Förstern und Jägern geführt. Die im Zusammenhang mit Weidenutzung entstehenden Probleme ergeben sich zumeist aus einer mangelnden räumlichen und zeitlichen Abstimmung mit anderen Nutzungsformen sowie aus zu hohen Beweidungsintensitäten. Eine besondere Rolle spielt dabei die im Wald ausgeübte Weide, die oft gravierende forstliche Probleme bringt: Bodenverdichtung und Abnahme des Speichervermögens für Niederschlagswasser; Ausfall von Baumarten — vor allem Laubbaumarten — durch starken Verbiss; Liege- und Trittschäden; Wurzelverletzungen und in der Folge Rotfäuleschäden an den Bäumen; Zuwachsverlust am Wald, usw. Besonders in steilen Schutzwäldern auf Mischwaldstandorten ergibt sich oft folgender unerwünschter Wirkungskreis: Alte Wälder aus Fichte, Tanne und Laubbaumarten werden lückig, es stellen sich zwar Sämlinge von allen Baumarten ein, aber Laubbäume und Tanne können wegen des Weide- und Wildeinflusses nicht aufwachsen. Nur die Fichte bleibt übrig, das Altholz bricht zusammen oder wird geerntet. Die heranwachsenden Fichten-Reinbestände sind dann besonders anfällig für weitere Schäden. Die Folge sind zum Teil offene Landschaften mit starker Bodenerosion, vor allem in steileren Hanglagen.

Mögliche Vorteile der Weide für andere Landnutzer (Forstwirtschaft, Tourismus, Jagd, Natur- und Landschaftsschutz) werden selten in Betracht gezogen. Sowohl für Waldweide als auch für die Wald-Weide-Trennung gibt es Subventionen. Unkoordinierte Förderungsmaßnahmen führen aber zu ineffizientem Einsatz finanzieller Mittel. Um negative Auswirkungen der Beweidung zu vermeiden und Vorteile optimal zu nutzen, sind vor allem folgende Gesichtspunkte zu beachten:

Klare Ziele für Wald-Weide-Regulierung

Anstatt generell von "Wald-Weide-Trennung" zu sprechen, sollte besser die Formulierung "Wald-Weide-Regulierung" verwendet werden. Dadurch wird klar, dass die vollständige Trennung von Wald und Weide nur eine aber nicht die einzige Option einer Weideregulierung ist. Grundsätzlich lassen sich folgende Nutzungszieltypen unterscheiden: Unbeweidete Nichtwaldflächen (kein Wald, keine Weide); Reinweide (Weideflächen ohne Bäume); Bestockte Weide bzw. Weidewald (Weideflächen mit Bäumen); Waldweide (Wald mit Beweidung); Wald (ohne Viehweide).

Eine eindeutige Zielsetzung für die Landnutzung und speziell für beweidete Flächen ist erforderlich, um den Einfluss des Viehs und auch der im selben Gebiet lebenden Wildwiederkäuer (Schalenwildarten) auf die Vegetation bewerten zu können. Während ein "Weidewald" primär Weidezwecken dient und ein geschlossener Wald ohnedies unerwünscht ist (Verbiss der Jungbäume ist kein Problem, sondern kann sogar nützlich sein), ist eine Beweidung von Waldflächen, die primär der Holzproduktion dienen ("Waldweide"), meist problematisch, weil dieser Zielsetzung entgegenstehende Schäden durch Vieh oder/und Schalenwild leicht entstehen können. Für Wälder mit primär Schutzwirkung gegen Lawinen, Steinschlag, Erosion etc. ist eine konsequente Trennung von Wald und Weide meist die einzige Problemlösung.

Wechselwirkungen beachten

Synergistische, also nutzbringende Wechselwirkungen zwischen Almwirtschaft, Forstwirtschaft, Jagd und Naturschutz können vor allem dort entstehen, wo zum Beispiel die positiven Auswirkungen der Weide auf den Lebensraum der Rauhfußhühner und des Schalenwildes zum Tragen kommen. So wirken sich Weidewälder günstig auf das Auerhuhn aus; Beweidung im Waldgrenzbereich bewirkt günstige Waldstrukturen für Birkhuhnpopulationen. Weideflächen sind auch günstig als Äsungsflächen für Schalenwild, vor allem im Frühjahr und Herbst. Es besteht eine geringe Wildschadenanfälligkeit dieser Flächen, die bei Umwandlung in Wald oft zu Wildschaden-Schwerpunkten werden. Deshalb sollten Reinweideflächen auch unterhalb der natürlichen Waldgrenze erhalten werden.

Weideflächen können wesentlich zum Natur- und Landschaftsschutz beitragen (z.B. landschaftsprägende parkartige Vegetationsstrukturen, erhöhte Biodiversität durch spezielle Pflanzengesellschaften) und sich positiv auf den Tourismus (Landschaftsattraktivität) auswirken. Um negative Auswirkungen des Tourismus auf Wildtiere zu vermeiden, ist eine gezielte Lenkung des Tourismus und der alpinen Freizeitbeschäftigungen erforderlich.

Antagonistische Wechselwirkungen — wenn eine Nutzungsform zum Schaden der anderen führt — ergeben sich vor allem bei der Beweidung von Waldgebieten, wenn dadurch forstliche Ziele nicht erreicht werden und sich Wildverbiss durch die zusätzliche Weide stärker negativ auswirkt. Im Schutzwald und in Arbeitsfeldern der Wildbach- und Lawinenverbauung kann dies besonders stark ins Gewicht fallen.

Beweidung in Hochlagen über etwa 2000 m Seehöhe führt häufig zur Äsungskonkurrenz mit Wildtieren, während dosierte Beweidung auf Almflächen unter dieser Höhengrenze die Menge und Qualität der Nahrung für das Wild in der Regel erhöhen.

Belastungsgrenzen, Monitoring

Der Einhaltung von Belastungsgrenzen (Verbiss- und Trittbelastungen an der Vegetation, Verdichtung oder Erosion des Bodens) und der Vermeidung von "Überbeweidung" kommt wesentliche Bedeutung zu. Dies erfordert die Feststellung der maximalen Belastbarkeit von Weideflächen (Bonitierung, etc.) in Abhängigkeit von Art, Intensität und Dauer der Weide sowie von Tierart, Rasse und Viehgewicht. Alte Weiderechte, die von Stückzahlen ausgehen, sind angesichts der stark gestiegenen Viehgewichte zu überprüfen und anzupassen. Ursprüngliche, standortangepasste Viehrassen sollten erhalten und stärker gefördert werden. Objektive Monitoringsysteme (z.B. Kontrollzäune, Indikatorpflanzen) sind Voraussetzung für die Kontrolle der Vegetationsbelastung.

Integrale Raumplanung

Als Grundlagen erforderlich sind:

  • eine regionale Erfassung der ökologischen Ausgangslage, der Nutzungsziele der Grundeigentümer und der Weiderechte;
  • die Prüfung von Nutzungskonflikten sowie von synergistischen Einsatzmöglichkeiten der Beweidung;
  • die Erstellung und Förderung eines integralen Raumplanungskonzeptes.

Die rechtlichen Grundlagen dafür sind zu verbessern. Die ökonomischen Vorteile einer besseren Nutzungsabstimmung sollen durch eine regionale volkswirtschaftliche Gesamtrechnung für Mehrfachnutzungen von Berggebieten transparent gemacht werden. Konkrete Maßnahmen der ortsbezogenen Problementflechtung, wie Ablöse von problematischen Weiderechten durch Geld oder Holznutzungsrechte, Grund-Tausch, Erweiterung von Lichtweide-Flächen (Almen) etc., sind eine wesentliche Voraussetzung für die Harmonisierung der Landnutzung.

Fazit

Beweidung auf offenen Flächen und im Wald, Forstwirtschaft, Wildbewirtschaftung und Freizeitbetätigung des Menschen in der Natur bilden eine komplexe, in Wechselwirkung stehende Einheit. Weide ist grundsätzlich als gleichberechtigt mit anderen Landnutzungsformen (wie Holzproduktion, Jagd, Tourismus oder Naturschutz) zu sehen. Einige Nutzungsformen können sich, wenn sie am selben Ort erfolgen, gegenseitig gravierend schädigen oder die Erhaltung der Schutzfunktion des Waldes gefährden. Sie können sich aber auch positiv beeinflussen, wenn Wechselwirkungen beachtet, Belastungsgrenzen des Ökosystems eingehalten werden und die Nutzungen dem Prinzip der Nachhaltigkeit folgen.

Im Interesse einer harmonischen und nachhaltigen Mehrfachnutzung des Alpenraumes ist zusätzlich zur Vermeidung von weidebedingten Schäden die verstärkte Aktivierung von positiven Auswirkungen der Weide erforderlich. Dies gilt insbesondere für die Erhaltung günstiger Lebensräume für Wildtiere sowie die Minimierung der Wildschadenanfälligkeit von Waldflächen, aber auch im Hinblick auf Tourismus sowie allgemeine Anliegen des Natur- und Landschaftsschutzes. Um dieses Ziel zu erreichen, ist anstelle von unkoordinierten Planungen einzelner Nutzungsarten eine integrale Raumplanung mit ökologisch ausgerichteter Prioritätensetzung bei der Landnutzung erforderlich, die auch ökonomische Vorteile bringt. Dafür sollte eine Koordinationsstelle (Bund, Länder) eingerichtet werden, und die rechtlichen Grundlagen und finanziellen Anreize müssen verbessert werden.
Weidelandschaft

Weidelandschaft

Bergweide, Forstwirtschaft, Wildbewirtschaftung und Freizeitbetätigung des Menschen in der Natur bilden eine komplexe, in Wechselwirkung stehende Einheit. Sie können sich auch positiv beeinflussen, wenn Wechselwirkungen beachtet, Belastungsgrenzen des Ökosystems eingehalten werden und die Nutzungen dem Prinzip der Nachhaltigkeit folgen.

Für den FUST-Tirol:

  • Landtagsvizepräsident Anton STEIXNER, Vorsitzender;
  • Univ. Prof. DI Dr. Edwin DONAUBAUER, Vorsitzender des Fachlichen Lenkungsausschusses.
  • Univ. Prof. DI Dr. Friedrich REIMOSER, Forsch.-Inst. f. Wildtierkunde u. Ökologie d. Veterinärmed. Univ. Wien, Projektkoordinator.

Fotos: F. Reimoser

Zitierweise:

FUST-Tirol (2002): Weide und Wald im Alpenraum. Weidewirtschaft - Nutzen oder Schaden? – FUST-Position 2; Forschungs und Versuchsprojekt „Alpine Umweltgestaltung” des Förderungsvereins für Umweltstudien (FUST-Tirol, Achenkirch); www.fust.at; 5 Seiten.

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