Rotwildtelemetrie im Raum Achenkirch

Zusammenfassung der Ergebnisse                    
von MSc Dominik Dachs

Die folgenden Auswertungen wurden von der ÖBf AG (Österreichische Bundesforste) für den Fonds für Umweltstudien (FUST-Tirol, Achenkirch) durchgeführt. Dieser Kurzbericht dient der Information der Tiroler Landesregierung und behandelt eine grobe Analyse der Telemetriedaten, um einen Überblick zu geben.

Die Fragestellung ist in drei Punkte gegliedert:

  • Wie stellt sich das Wanderverhalten des Rotwildes dar?
  • Welchen Einfluss hat die Rotwildfütterung auf die Raumnutzung?
  • Welchen Einfluss hat die Staatsgrenze zu Bayern auf die Raumnutzung des Rotwildes?

Material & Methoden

Abb. 1: Halsbandsender
Abb. 2: Anlegen des GPS Halsbandsenders

Um das Wanderverhalten der Rothirsche studieren zu können, wurden ausgewählte Tiere mit einem GPS-Halsbandsender versehen. Dazu mußten die Tiere zuerst an den Fütterungen von einem Tierarzt narkotisiert werden.
Im Rahmen des Fütterungsbetriebes setzten sich die Tierärzte an und injizierten mittels Narkosegewehr das Mittel. Den so betäubten Tieren wurde ein GPS-Halsbandsender des Herstellers Vectronic Aerospace (Abb. 1) angelegt (Abb. 2).

Checklisten der besenderten Rotwildstücke:

Checkliste Besenderung Rudi Nr. 9349
Checkliste Besenderung Leni Nr. 9068
Checkliste Besenderung Charly Nr. 9334
Checkliste Besenderung Rosi Nr. 9348
Checkliste Besenderung Dominique Nr. 933

Alle drei Stunden und 15 Minuten wurde vom Halsbandsender eine GPS-Lokalisation durchgeführt und lokal gespeichert. Sofern GSM-Empfang vorhanden war, sendete der Sender ein SMS mit sieben Peilpunkten an die Bodenstation der Bundesforste. Die Bodenstation übermittelte die Rohdaten anschließend an eine PostgreSQL Datenbank. Dort wurden die Daten verarbeitet, sodass die Peilpunkte den Tieren und deren Eigenschaften zugewiesen und nach Peilungsqualität sortiert werden konnten. Peilpunkte mit großen Unsicherheiten wurden aus den weiteren Analysen ausgenommen.

Abb. 3: Datenfluss im Rotwildprojekt

Mittels GIS Software (ESRI ARCGIS, QGIS) und Statistikprogrammen (R) wurden die Analysen dieses Berichts berechnet.

Ergebnisse

Tab. 1: Besenderungen

Stand der Besenderung / Datenlage:
Insgesamt konnten im Rahmen des Projekts fünf Stück Rotwild an drei Fütterungen besendert werden. Davon war ein Stück männlich, der Rest weiblich. Damit wurde das angestrebte Ziel von sechs Stücken mit Sendehalsband knapp nicht erreicht.

Tab. 2: Datenlage nach Tieren

Wie in Tab. 2 ersichtlich, ist die Datenlage bei den einzelnen Tieren sehr unterschiedlich. Zwei Tiere lieferten nahezu vollständige Datensätze mit >1.500 Peilpunkten, ein Tier überhaupt keinen und zwei Tiere unter 800 Peilpunkte. Insgesamt konnten so ca. 4.500 Peilpunkte gesammelt werden.

Abb. 4: Besenderungszeiten

In Abb. 4 ist die zeitliche Verteilung der Daten dargestellt. Das Tier Charly stellt über den längsten Zeitraum Daten zur Verfügung, wobei hier jedoch größere Datenlücken vorhanden sind. Alle anderen Tiere decken einen Zeitraum von ca. einem Jahr ab. Das Tier Dominique hat leider überhaupt keine Daten verschickt, folglich konnte dieses Tier in weitere Auswertungen nicht einbezogen werden.

Die räumliche Verteilung der gewonnenen Daten ist nicht gleichmäßig über das Gebiet verteilt. Drei Tiere bewegten sich im nordöstlichen Teil des Gebiets, während sich das Tier Charly im Südwesten im Bereich Hinterriss aufhielt, wo es auch besendert wurde.

Abb. 5: Räumliche Verteilung der gewonnen Peilpunkte

Um das Wanderungsverhalten zu beschreiben, wurden mehrere verschiedene Analysen durchgeführt. Eine Standardmethode für die Berechnung der Flächengrößen ist die der Minimum-Convex-Polygone (MCP), welche alle oder nur einen Teil der Peildaten enthalten (Levels). In Tabelle 3 sind drei Prozentlevels der MCP Berechnung für jedes Tier enthalten. Sie reichen bei MCP 80 von 191 bis 493 ha und bei MCP 100 von 488 bis 1.294 ha.

Tab. 3: Streifgebietsgrößen in ha

Für eine genauere Interpretation der Streifgebietsgrößen wurde die Änderung derselben mit unterschiedlichen Levels in Abb. 6 dargestellt.

Abb. 6: Streifgebietsgrößen (MCP) – Änderungen mit zunehmender Inklusion von Randpeilungen (Änderung der Levels)

Tageszeitliches Wanderungsverhalten wurde mittels Analyse der Laufstrecken zwischen zwei aufeinanderfolgenden Peilpunkten dargestellt. Die Strecke welche ein Tier innerhalb von 3h 15min zurücklegt, wird als Laufstreckenaktivität bezeichnet. In Abb. 7 wird der Mittelwert dieser Aktivität in Abhängigkeit des Sonnenstands dargestellt. Der Sonnenstand ist der Winkel der Sonne relativ zum Horizont. Sinkt dieser Wert unter -6° kann man von nächtlichen Phasen ausgehen, zwischen -6° und +6° findet die Dämmerung statt und ab +6° ist es heller Tag. Ab -6° ist ein Mensch in der Lage ein Buch zu lesen. Diese Grenze deckt sich mit der „Büchsenlichtdefinition“ bei Jägern, welche den Zeitpunkt definiert ab dem eine Erkennung des Ziels und eine Schussabgabe möglich ist.

Abb. 7: Laufstrecken nach Sonnenstand

In Abb. 7 erkenntlich ist, dass das Maximum an Bewegung während des Auf- bzw. dem Untergang der Sonne stattfindet. Während im Tag und in der Nacht die Ortsveränderung ca. 50m/h beträgt ist sie als Maximum ca. 130 m/h. Dieser Befund ist bei allen Tieren sehr ähnlich.

Fütterungsnutzung: In Abb. 8 ist der Abstand der einzelnen Tiere zur jeweiligen Fütterung angegeben, an der das Tier besendert wurde. Zum Zeitpunkt der Besenderung ist dieser Abstand naturgemäß sehr gering. Im Sommer nimmt der Abstand, je nach Lage des Sommereinstands, zu und liegt meist zwischen 1.000 und 4.000 Meter. Erkenntlich ist wie oft Exkursionen aus dem gewählten Einstandsgebiet gemacht werden. Der Hirsch Rudi lässt zwei (Brunft-)Exkursionen im Herbst erkennen. Rosi und Leni zeigen dagegen Exkursionen von über zwei Kilometern während der Zeit an der sie sich in der Nähe der Fütterung aufhielten. Der Zeitpunkt zu dem die Tiere zu den Fütterungen ziehen ist nur leicht unterschiedlich. Charly und Rudi taten dies etwas früher als die beiden Tiere der Klammbach-Fütterung – Leni und Rosi.

Abb. 8: Abstand der Tiere in Metern zur Fütterung im zeitlichen Verlauf

Grenzeinfluss: Für die Fragestellung des Einflusses der Bundesgrenze für Rotwildbewegungen wurden alle grenznahen Peilpunkte in Abb. 9 dargestellt. Ersichtlich ist, dass nur drei Tiere von einer nahen Grenze betroffen waren – Rosi, Leni und Rudi. Rosi und Rudi überschritten jeweils die Grenze und verweilten unterschiedlich lange auf deutschem Bundesgebiet. Während Rudi nur kurze Aufenthalte (zwischen 19.09.2013 und 18.10.2013) hatte, wählte Rosi einen Sommereinstand der zum Großteil außerhalb Österreichs lag.

Abb. 9: Grenznahe Peilpunkte. Die roten Linien stellen die nördlichsten Jagdgebietsgrenzen Tirols im Raum Achenkirch dar (rote Punkte = Rosi, lila Punkte = Rudi, grüne Punkte = Leni).

Diskussion

Die Datenlage ist aufgrund der geringen reellen Stichprobenanzahl (4 Stück) sehr gering. Dazu kommt, dass sich diese Stichprobe auf drei Fütterungsstandorte und folglich ein sehr großes Gebiet verteilt. Die Aussagekraft der Interpretationen ist somit stark geschwächt.

Speziell beim Grenzeinfluss verhindert die geringe Stichprobe, welche sich auf drei Stück in dieser Fragestellung verkleinert, eine allgemeingültige Aussage. Bei den besenderten Stücken ist weder eine Meidung noch eine Bevorzugung von unterschiedlichen Ländern erkennbar. Dazu kommt, dass es, selbst bei größerer Stichprobe, schwierig sein dürfte, den Effekt der Geländekante, auf welcher die Bundesgrenze (siehe Abbildung 9) meist verläuft, von einem möglichen Effekt der Bundesgebiete zu differenzieren. Das Sommereinstandsgebiet von Tier Rosi liegt zwar zum Großteil in Deutschland, jedoch liegt es in einem Bereich in dem die Bundesgrenze südlich des Bergrückens verläuft. Den Bergrücken selbst hat das Tier nicht überwunden. Es liegt somit die Vermutung nahe, dass die Geländebeschaffenheit eine größere Rolle spielt als die Zugehörigkeit einer Fläche zu einem Bundesstaat. Die Exkursionen von Rudi in das Nachbarland fanden alle während der Brunft statt. Junge Hirsche suchen in der Brunft oft mehrere Brunftplätze ab. Insofern ist auch dieses Verhalten wahrscheinlich weniger von der Bundesgrenze als vom Brunfttrieb des Hirsches abhängig.

Fütterungseinfluss: Eindeutig ist, dass alle Tiere wieder zur Fütterung zurückkehrten an welcher sie einen Winter zuvor betäubt und besendert wurden. Auffällig sind allerdings die mehr oder wenig ausgeprägten Exkursionen während des Winters. Man kann vermuten, dass die Tiere erkunden wie es mit dem Sommerlebensraum beschaffen ist. Diese Exkursionen wären einer eingehenderen Betrachtung bei künftigen Studien wert. Die Ortswechsel durch Brunftexkursionen nach Deutschland, welche schon beim Grenzeinfluss diskutiert wurden, sind auch der Grund für die sichtbaren Ortsveränderungen bei Hirsch Rudi (lila Punkte) in Abb. 9.

Streifgebiete: Die Streifgebietsangaben sind aufgrund der Datenlage mit großer Vorsicht zu behandeln. Bei ausreichender Datenlage hätte man die Streifgebiete nach Jahren und Saisonen getrennt berechnen können. Damit wären auch Vergleiche zu anderen Studien möglich gewesen. 10 Mit der aktuellen Datenlage kann man nur einen Trend abschätzen. Vergleicht man die Ergebnisse mit anderen Projektgebieten erscheinen die Werte etwas gering. In vergleichbaren Projekten der ÖBf in den Kalkalpen oder dem Salzkammergut erreichten die Tiere im Schnitt über 1000 ha MCP 100 pro Jahr. Um den Kern des Streifgebiets und damit dessen Größe zu messen wurde Abbildung 6 erstellt. Sieht man sich dort die Streifgebietsgrößen der verschiedenen Home-range-Levels an so ist erkennbar, dass sie meist ab ca. 80% Home-range-Level stark zu steigen beginnen. Deshalb kann man annehmen, dass die 80%igen MCP Werte am ehesten die Streifgebietsgrößen darstellen.

Laufstrecken: Die Laufaktivität ist zur Dämmerungszeit bei fast allen Tieren am höchsten. Das entspricht auch dem Ergebnis aus vergleichbaren Studien in Österreich. Das deutet darauf hin, dass die Laufaktivität nicht unbedingt mit der Sichtbarkeit der Tiere für die Jagd oder Naturbeobachter korreliert. In jagdlichen Kreisen spricht man von der Nachtaktivität des Rotwildes, was man eindeutig verneinen kann, wenn man die Ergebnisse anderer Studien mit in Betracht zieht. Es handelt sich wahrscheinlich um eine Freiflächen-Nachtaktivität.

Empfehlungen für die Zukunft

Bei zukünftigen Projekten empfehle ich eine größere Anzahl GPS Sender einzusetzen und sie räumlich zu konzentrieren. Damit erhält man robustere und aussagekräftigere Ergebnisse. Eine gemeinsame Auswertung mit dem bayerischen Rotwildtelemetrieprojekt wäre wünschenswert um eventuelle Effekte der unterschiedlichen Bewirtschaftungsweisen über eine größere Stichprobe aufzeigen zu können.

Verfasser:
Dominik Dachs, MSc 
Österreichische Bundesforste AG, 
Nationalparkbetrieb Kalkalpen, 
Naturschutz & Monitoring, 
Eisenstraße 75, 4462 Reichraming